U.v.Beckerath
(Nicht unterzeichnet, aber
nach dem Stil zu urteilen u. den Gedanken. J.Z.)
14.10.33.
Die Gewaehrung langfristiger
Kredite nach dem Verrechnungsbank-Prinzip.
Es besteht Einigkeit darueber, dass eine Verrechnungsbank, die
Umsatzkredit gewaehrt, keinen langfristigen Kredit gewaehren, sondern dessen
Pflege besonderen Institutionen ueberlassen sollte. Man kann aber die Frage
aufwerfen, was diese Institute dann tun sollen, wenn alles Metallgeld aus dem
Verkehr verschwunden ist, die anderen Zahlungsmittel aber gerade nur
ausreichen, um ganz bestimmte, kurzfristige Unsaetze zu bewerkstelligen, z.B.
das Staatspapiergeld nur ausreicht, um die Steuern einzuziehen, die
Reichsbanknoten nur ausreichen, um den Kundenkreis der Reichsbank mit
"Wechselgeld" zu versehen, und das Entsprechende bei den
Kundenkreisen der Verrechnungsbanken der Fall ist. Es koennte dann doch sein,
dass
a) eine Nachfrage nach
langfristigem Kredit besteht,
b) die Besitzer von Rohstoffen
und Lebensmitteln bereit sind, diese Dinge herzugeben und mit der Bezahlung so
lange zu warten, wie es die Kreditnehmer wollen,
c) es aber trotzdem an Zahlungsmitteln
fehlt, um
1) Rohstoffe und Lebensmittel von den Besitzern dieser
Gegenstaende zu den Kreditnehmern zu "transportieren",
2) um den "Ruecktransport" vorzunehmen, wenn
die Kreditnehmer die Kreditgeber am Ertrag ihrer Arbeit beteiligen wollen.
(Der Name "Transport-Zettel" fuer das erste
europaeische Papiergeld, naemlich das schwedische, war passender als irgend ein
spaeter gebrauchter.)
Dass man bei einer solchen Lage nicht auf langfristigen Kredit
verzichten wird, wenn es eine technische Moeglichkeit gibt, ihn ohne
Beeintraechtigung des bestehenden Zahlungsmittel-Umlaufs zu gewaehren, ist
sicher. Ebenfalls ist sicher, dass diese technische Moeglichkeit nur darin
bestehen kann, dass irgendwie neue Zahlungsmittel geschaffen werden.
Gegen die Nuetzlichkeit einer Untersuchung darueber koennte man
allerdings einwenden, dass es bis jetzt noch in keinem Lande zu keiner Zeit je
an langfristigem Kredit gefehlt hat, wenn alle notwendigen Umsaetze
entweder durch kurzfristigen Kredit oder durch Metallgeld finanziert werden
konnten. Andererseits aber ist es doch nicht ueberfluessig zu zeigen, dass
noetigenfalls das Verrechnungsprinzip auch mit dem langfristigen Kredit fertig
wird.
Wie
man es nicht machen darf.
An Vorschlaegen zur Finanzierung von langfristigem Kredit durch
Zettelgeld oder durch Buchgeld fehlt es nicht. (Postscheckbank von Schneider -
Hannover, die zahlreichen Bauschein-Geld-Projekte, etc.) Allen diesen
Vorschlaegen ist folgendes gemeinsam: Das Zahlungsmittel wird von einer
Zentrale dem Kreditnehmer zur Verfuegung gestellt. Der Kreditnehmer kauft sich
dafuer, was er braucht (mit Kontrolle oder ohne, mit dem Recht, das
Zahlungsmittel aufzudraengen oder ohne dieses Recht), dann bleiben die
Zahlungsmittel moeglichst lange im Verkehr, jedenfalls solange bis die
Kreditnehmer den Kredit tilgen. (Die meisten Projekte sehen zinslose Darlehen
vor.) Dann - - oft erst nach Jahren - -
werden die Zahlungsmittel aus dem Verkehr gezogen, bzw. erhalten dann erst ihre
Fundation, naemlich durch Nachfrage der Kreditnehmer, die den Kredit durch
Rueckgabe der Zahlungsmittel an die Zentrale tilgen.
Es ist klar, dass bei diesem Verfahren waehrend der Zeit
zwischen der Emission der Zahlungsmittel und dem Rueckstrom eine Entwertung
unvermeidlich ist. So darf man's also
nicht machen.
Wie
man verhindern kann, dass die fuer langfristigen Kredit ausgegebenen
Zahlungsmittel sich entwerten.
Das Grundprinzip der
Verrechnungsbank ist:
Der Verrechnungsschein muss
aus dem Verkehr verschwinden, sowie er seinen Dienst getan hat.
Daraus folgt:
1) Sowie der Kreditgeber dem Kreditnehmer seine Sachwerte
oder seine Dienstleistungen
vermittelst der Verrechnungsscheine zur Verfuegung gestellt hat, muessen
die Scheine an die Bank zurueckgegeben werden.
2) Wenn die Leistungen des Schuldners faellig werden, so
muss eine zweite, von der ersten ganz und gar getrennte Emission stattfinden.
Beispiele:
Es soll gesiedelt werden, Landwirte sind bereit, den Siedlern
Baumaterial (Holz etc.) zur Verfuegung zu stellen, ebenso Lebensmittel,
ausreichend um die Arbeiter, welche die Siedlungshaeuser bauen, die Ziegel
brennen und die anderen notwendigen Arbeiten verrichten, zu ernaehren. Auch
finden sich andere Sachwertbesitzer (z.B. Ladeninhaber), die bereit sind, ihre
Vorraete, z.B. Kleidung fuer die Arbeiter, zur Verfuegung zu stellen.
Es handle sich um 50 Siedler, die je ein Kapital von 20.000
beanspruchen, zusammen also eine Million. Die Verzinsung und Rueckzahlung
erfolgt in 40 gleich bleibenden Halbjahresraten unter Verzinsung der jeweiligen
Restschuld mit 2| % halb jaehr lieh. Es ergibt sich, dass jeder Siedler
halbjaehrlich 796,73 zurueckzuzahlen hat.
Wenn die "Nachbarn" der Siedler ihnen nun Sachwerte
oder Dienstleistungen zur Verfuegung stellen, weil sie kein Landesgeld haben,
so laeuft das darauf hinaus, dass sie die Anleihe von l Million mit Sachwerten
zeichnen. Wie muss nun die Zeichnung vor sich gehen?
Nehmen wir an, ein Landwirt habe 1000 "gezeichnet".
Dann belastet ihn die Bank mit 1000, zahlbar etwa in wenigstens 13 Wochenraten,
gerade so, als ob der Landwirt die Verrechnungsscheine bekommen haette. Der
Landwirt hat jedoch die Verrechnungsscheine nicht bekommen, bekommen hat
sie vielmehr der Kreditnehmer. Der Landwirt hat aber durch Plakat oder sonst
wie bekannt gemacht, dass er Verrechungs-Scheine der Bank bei Verkaeufen annimmt.
Der Landwirt muss sich nun irgendwie Scheine der Bank fuer 1000
Geldeinheiten besorgen, sei es, dass er sie bei Verkaeufen annimmt, sei es,
dass er sie im freien Markt mit oder ohne Disagio kauft, oder sonst wie. Wenn
sich der Landwirt die Scheine besorgt hat, so muss er sie an die Bank
abliefern. Wenn er die Scheine abgeliefert hat, so erhaelt er Pfandbriefe oder
Bankobligationen ueber 1000.
Entsprechend verfahren alle anderen, die Anleihe gezeichnet
haben. Dadurch ergibt sich, dass die ausgegebenen Scheine durch das
Effektivwerden der Zeichnung aus dem Verkehr verschwinden. Es ist also
genau umgekehrt, wie bei allen bisher aufgetauchten Projekten, wo die
Aufbringung der Sachwerte, welche der Kreditnehmer braucht, gerade mit einem
In-Kurs-Halten der Scheine verbunden ist, und wo es sogar als eine Hauptaufgabe
betrachtet wird, sie recht lange in Zirkulation zu halten.
Wenn
nun die Anleihe von der Art waere, wie etwa die Wiederaufbauzuschlaege der
Schuldbuchforderungen des Reichs, wo also jahrelang keine Zinsen gezahlt
werden, so brauchte die Bank sich auch jahrelang nicht zu ruehren. Die Bank
braucht sich auch nicht um die Paritaet der fuer den langfristigen Kredit
ausgegebenen Verrechnungs-Scheine zu bekuemmern, denn die sind eingezogen. Hier
ist aber angenommen, dass jeder Schuldner halbjaehrlich 796,73 aufbringt,
welche die Bank den Glaeubigern zuzuleiten hat. (Von den Verwaltungskosten ist
hier der Einfachheit halber abgesehen.) Wie macht sie das?
Ganz einfach! Die Bank zahlt
jedem Glaeubiger seine Zinsen in neuen Verrechnungsscheinen, ebenso den Betrag
der ausgelosten Pfandbriefe. Die Siedler aber haengen nun ihrerseits Plakate
aus, in denen jeder erklaert, dass er Scheine der Bank im Betrage von 796,73
annimmt. Nun muessen die Siedler zusehen, wie sie sich die Scheine besorgen.
Sie machen es genau, wie vorher die Anleihezeichner; sie nehmen entweder die
Scheine bei Verkaeufen an, oder sie besorgen sie sich mit oder ohne Disagio am
freien Markt, oder sonst wie. Die Verpflichtung der Schuldner ist entweder
durch Wechsel oder sonst wie sichergestellt.
Die
Bank wird gut tun, die Scheine den Glaeubigern nicht zu spaet zuzustellen, d.h.
nicht etwa erst 3 Tage vor der Faelligkeit der Leistung der Schuldner, sondern
etwa 14 Tage. Dann haben die Scheine Zeit, den Weg zwischen Schuldner und
Glaeubiger zurueckzulegen.
Schluss.
Wie zu verfahren ist, wenn die
Schuldner keine Siedler sind, und die Glaeubiger keine Landwirte, braucht hier
nicht ausgefuehrt zu werden. Die Praxis, wenn sie erlaubt waere, wurder bei der
Vielgestaltigkeit des Wirtschaftslebens sehr zahlreiche und ueberraschende
Kombinationen ergeben.
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First published in: Ulrich von
Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe,
Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 435 (Mikrofiche), Berrima,
Australia, 1983. Pages 814-815.